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aachen: der innovative standort im dreiländereck niederlande-belgien-deutschland

Aachen gehört zu den wenigen Städten Deutschlands, deren Bevölkerung kontinuierlich wächst. Dies liegt nicht nur an der Attraktivität der Stadt als Wohn- und Arbeitsort, sondern vor allem am Ruf als Wissenschaftsstandort mit v. a. der Exzellenzuniversität RWTH (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule), der Fachhochschule und den Clustern im bestehenden und weiterwachsenden Campusgebiet.

Ende 2018 bekommt Aachen eine direkte Bahnverbindung nach Maastricht. Wir sprachen mit Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp darüber, wie wichtig für ihn die Mobilitätsfrage ist – die Erreichbarkeit der Stadt im europäischen Schienenverbund Richtung Köln und Düsseldorf (mit Anschlüssen an das deutsche ICE-Netz) und Richtung Belgien zum EU-Sitz nach Brüssel und Richtung Niederlande nach Maastricht.

Im April wurde unter anderem durch den Nahverkehr Nordrhein-Westfalen (NVR) das Startsignal zur Elektrifizierung der Bahnstrecke Landgraaf – Herzogenrath gegeben, finanziert vom niederländischen Staat, von der niederländischen Provinz Limburg sowie von der Region mit Hilfe von EU-Fördermitteln. Mit der Einführung der Oberleitung dort wird die Strecke für Touristen, Studenten und Geschäftsreisende auf eine schnelle, direkte Bahnverbindung zwischen Aachen, Maastricht und Lüttich vorbereitet. Auch auf deutscher Seite sind diverse Änderungen erforderlich, so auch am Hauptbahnhof Aachen. Diese werden laut NVR Ende dieses Jahres abgeschlossen sein.

Was bedeutet Ihrer Ansicht nach die direkte Verbindung mit Maastricht zum Jahresende hin, wie wichtig ist die Erreichbarkeit mit der Bahn für Aachen?

 

Marcel Philipp: „Eine gute Verbindung der Städte Maastricht, Lüttich und Aachen sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Das ist die Grundlage für den grenzüberschreitenden Verkehr in der Euregio Maas-Rhein. Es ist sehr unbefriedigend, dass uns das trotz einer stetig guten Zusammenarbeit der Oberzentren in unserer Region bisher nicht gelungen ist. Die neue schnellere und umsteigefreie Schienenverbindung werden wir daher feiern, und ich hoffe sehr, dass sich auch sehr schnell eine intensive Nutzung einstellt.“

„Neben weiteren Investitionen in Strecken und Elektrifizierungen richtet sich unsere Aufmerksamkeit dann aber auch auf ein wirklich grenzüberschreitendes digitales Ticketsystem. Wir benötigen hier dringend einen Durchbruch.“

Der Autoverkehr in den Städten und vor allem die drohenden Dieselfahrverbote für die Innenstädte sind aktuell ein heißes Thema in Deutschland. In den letzten Wochen blickte ganz Deutschland nach Aachen: Am Verwaltungsgericht war die erste Verhandlung um ein mögliches Dieselfahrverbot nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Aachen steht nun unter Zugzwang.

Auf der anderen Seite ist Aachen mit dem Streetscooter im gewerblichen Bereich, inzwischen Teil der Deutschen Post/DHL, und mit dem e.GO für den Privatkunden Vorreiter der E-Mobilität in Deutschland. Die Entwicklung des Streetscooters, mit Sitz auf dem grenzüberschreitenden Gewerbegebiet AVANTIS zwischen Aachen und Heerlen, wurde auch durch niederländische Mittel und Wissenschaftler mit finanziert und entwickelt.

Das Thema Dieselfahrverbote ist virulent. Bleibt das Auto – mit Verbrennungsmotor oder elektrisch – noch auf lange Sicht wichtiger Teil im Mobilitäts-Mix in den Städten oder gibt es für Aachen ggfs. auch Alternativen wie die Bahn?

 

„Der Schienenverkehr wird immer ein wesentlicher Bestandteil sein, den wir weiter ausbauen wollen, aber nicht für jeden Bedarf ist das die geeignete Lösung. Bei der von den Bürgern entschiedenen Frage, ob wir mit einer Campusbahn den Schienenverkehrsanteil vergrößern und in den Innenstadt- und den Hochschulbereich hineinbringen, wurde häufig argumentiert, dass flexiblere Angebote mit differenzierteren Linienangeboten Priorität haben sollten. Dadurch ist die Campusbahn gescheitert.“

„Ich bin sicher, dass es immer mehr auf eine intelligente Vernetzung der verschiedenen Verkehrsarten ankommen wird. Wir machen mit unserem Mobility-Broker bereits gute Erfahrungen bei der täglichen Nutzung durch die Beschäftigten der Stadtverwaltung. Elektroautos, die im Pool bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden, spielen in diesem System ebenso eine große Rolle wie die Pedelecs von Velocity und der Bus. Das Auto wird sicher nicht verschwinden, aber es wird sich verändern. Mit emissionsfreien und autonomen Fahrzeugen stehen ganz neue Nutzungsmuster zur Verfügung, die den Wunsch nach einer Verbindung von Bezahlbarkeit und Flexibilität erfüllen können.“

Letzten Monat gelang der Durchbruch bei Aachens größtem Zukunftsprojekt, dem Campus West – ein 170.000 Quadratmeter großes Areal, mit dem die RWTH Aachen das Ziel verfolgt, sich zu einer weltweit führenden Universität zu entwickeln. Dort soll u. a. in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft auch zu Verkehrssystemen der Zukunft wie z. B. die Verknüpfung von Schiene und Straße geforscht werden. Die Stadt Aachen beteiligt sich mit 20 Mio. Euro am Bau der Infrastruktur. Bis zu 10.000 Jobs werden erwartet. 

Kommt da die Direktverbindung nach Maastricht dem ganzen Projekt Campus West nicht auch entgegen?

 

„Natürlich nützt die verbesserte Verbindung nach Maastricht uns auch als Hochschulstandort, denn es gibt in einigen Bereichen eine enge Zusammenarbeit zwischen universitären Einrichtungen beider Städte. Aber die Campus-Entwicklung ist vor allem eine konsequente Weiterentwicklung der Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Unternehmen, die gemeinsam mit den Mitteln der Forschung nach Antworten auf relevante Fragestellungen suchen und die gefundenen Lösungen in Konzepten, Produkten oder auch Fertigungsmethoden zur Marktreife bringen wollen. Die bisher entstandenen Cluster sind alle wissenschaftlich ambitioniert, international vernetzt und nah an der Praxis.“

„Diese Prinzipien lassen sich auch bei der Frage nach einer besseren Verknüpfung von Schiene und Straße anwenden. Es braucht Partner, die ein wirtschaftliches Interesse an neuen Lösungen haben, und es braucht Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, die gemeinsam daran arbeiten. Daraus kann sich auf dem Campus West ein Cluster entwickeln, das den Verkehr der Zukunft mitgestaltet.“

Student an der RWTH Aachen Foto: Sunny Gardeur

Die Umsetzung der sogenannten „Campus-Bahn“ in Aachen – eine innerstädtische Stadtbahn – scheiterte 2013 durch die Ablehnung der Wähler bei einem Ratsbürgerentscheid. Glauben Sie, dass durch eine stärkere Vernetzung der ÖPNV-Netze das Thema wieder aktuell werden könnte?

 

„Wenige Jahre nach der sehr deutlich ausgefallenen Entscheidung kann man nicht die gleiche Frage noch einmal stellen, weil man hofft, dass es beim zweiten Versuch eine andere Antwort gibt. Ich setze darauf, dass neue Ideen entstehen, die den Nutzen des ÖPNV-Netzes auf andere Art vergrößern. Ich könnte mir z.B. vorstellen, dass die Euregiobahn intensiver verknüpft und auch bis zum Nordbahnhof an die Stadtmitte herangeführt werden könnte, wie es vor längerer Zeit schon einmal geplant war.“

Armin Laschets erster Auslandsbesuch als neuer NRW-Ministerpräsident galt dem Nachbarn Niederlande und das wollte er als „Statement“ verstanden wissen. Hat die Stadt Aachen auch Vorteile der räumlichen Nähe zur Landeshauptstadt Düsseldorf bzw. davon, dass Aachen seine Heimatstadt ist? Und wie sieht es in Richtung Provinzhauptstadt Maastricht aus?

 

„Bei einigen wichtigen Themen ist es sehr hilfreich, wenn der amtierende Ministerpräsident die Hintergründe und viele Details bereits kennt, weil er selber in Aachen lebt und hier auch Kommunalpolitiker war. Aber natürlich kümmert er sich nicht nur engagiert um Aachen, sondern um ganz NRW. Mit meiner Amtskollegin in Maastricht gibt es regelmäßige Treffen zu allen Fragen der Zusammenarbeit, das klappt sehr gut und unkompliziert.“

Wirtschafts- und Innovationsminister Prof. Pinkwart war jüngst im Aachener Krönungssaal zwecks Überreichung des AC2-Innnovationspreises und schwärmte von der „Digitalisierung“, in der Aachen Vorreiter sein möchte. Wie sehen Sie Aachen, wie sehen Sie Ihre Verwaltung digital und für die Zukunft aufgestellt?

 

„Wir haben eine klare Strategie, und wir schaffen gerade die Strukturen, die wir für die weitere Umsetzung benötigen. Offenbar sind wir schon relativ weit im Vergleich zu anderen Regionen, aber darauf werden wir uns nicht ausruhen. Die Digitalisierung unserer Prozesse ist einige riesige Aufgabe, da ist noch viel zu tun.“